Je dichter das Gebäude, umso mehr Energie spart der Bewohner. Das freut wiederum Geldbeutel und Klima. Aber was bedeutet das für die Raumluft und vor allem für die Gesundheit? In Sachen Hygiene, Sauberkeit und Behaglichkeit kommen auf das SHK-Handwerk auch zukünftig wichtige Aufgaben zu.
Immer mehr Menschen leben immer länger in immer dichteren Gebäuden. Über diese wechselseitige Beziehung verbindet sich der gesellschaftliche Wandel mit dem Klimawandel. Aber was hat beides miteinander zu tun? Und weshalb betrifft es auch das Handwerk?
Tatsächlich verbringen sehr viele Menschen in Deutschland fast 90 Prozent ihres Lebens in Innenräumen, davon im Durchschnitt etwa zwei Drittel in ihren eigenen bzw. gemieteten vier Wänden. Trends wie Onlinehandel, Lebensmittelbringdienste, Homeschooling, Homeoffice und immer mehr digitale Freizeitangebote wie E-Sports, Computerrollenspiele, oder als extreme Ausprägung das neue Metaversum werden diese Entwicklung rasch vorantreiben. Schon macht der Begriff einer heranwachsenden „Indoor-Generation“ immer häufiger die Runde.
Der gesellschaftliche Wandel hin zur sprichwörtlichen Stubenhockerei trifft inzwischen auf den Klimawandel. Denn privater Wohnraum in Neubauten und Bestandsgebäuden muss die kommenden zwei Jahrzehnte einen erheblichen Beitrag leisten, damit Deutschland seine gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Minderungsziele erreichen kann. In gemäßigten Klimazonen wie Mitteleuropa bedeutet das immer dichtere Gebäudehüllen, den Einsatz erneuerbarer Energien und hocheffiziente Systeme zum Kühlen und Heizen. Mit diesen Maßnahmen ließen sich optimale Innenraumbedingungen erzeugen – wäre der Mensch eine Maschine und bräuchte weder Sauerstoff, gesunde und saubere Luft, noch ein behagliches Empfinden. Weil sich aber niemand in einer stickigen, temperierten Thermoskanne wohlfühlt, geschweige denn darin mit dem Lebensmittel Luft versorgt würde, brauchen energieeffiziente und gut gedämmte Wohnungen sowie Gebäude immer auch eine kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL), bestenfalls mit Wärmerückgewinnung (WRG). So führt der eine Wandel zum anderen.
KWL noch zu oft unterschlagen
Während aber die Dämmung der Gebäudehülle, der Austausch der Heizungsanlage, vielleicht eine Klimaanlage und die Solaranlage auf dem Dach zumeist gesetzt sind, wird die kontrollierte Wohnraumlüftung noch immer zu oft unterschlagen oder vergessen, weil es zum Einbau keine gesetzlichen Verpflichtungen gibt. Dazu kommt, dass Kunden und auch das Handwerk nicht ausreichend informiert sind. Dennoch: unter gewissen Umständen muss vom Fachmann zumindest ein Lüftungskonzept erstellt werden(siehe Infokasten). Aber Warum ist eine KWL für optimal gedämmte Gebäude so wichtig?
In bewohnten Räumen entsteht immer Luftfeuchtigkeit: beim Kochen, Baden, Duschen, beim Wäsche-Trocknen, Pflanzen-Gießen, durch Aquarien, Zimmerspringbrunnen und nicht zuletzt durch die Menschen selbst. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit schlägt sich in einem dicht gedämmten Gebäude an kalten Flächen nieder und kondensiert. Das führt (sogar in Neubauten) zu Bauschäden und noch schlimmer zu Schimmelpilzen, die die Gesundheit gefährden. Hinzu kommen die Raumluft belastende Stoffe durch Schweiß, durch Sprays und Parfums, durch ausdünstende Möbelstücke und kleinste Partikel wie Staub, Pollen oder auch Viren und Bakterien. All diese Gerüche, Partikel oder Erreger begünstigen Krankheiten und besonders allergisch reagierende Menschen sind davon direkt betroffen. Ist die Raumluftfeuchte vor allem im Winter zu niedrig (ein Optimum liegt zwischen 40 und 60 Prozent relativer Luftfeuchte), sorgt das für trockene Schleimhäute und wieder für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit.
Eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit WRG bringt nur Vorteile für den Bewohner. (Quelle: VfW)
Umfassende Untersuchungen über viele Jahre haben belegt, dass sich der Befall mit Schimmelpilzen oder Milben durch eine Wohnraumlüftung vermeiden lässt. Überdies nimmt die Belastung der Raumluft mit Allergenen ab. Durch den Einsatz von Filtern in der Lüftungsanlage (zum Beispiel Außenluftfilter), werden Verunreinigungen vor Eintritt in das Wohngebäude aus der Zuluft entfernt und Staub gänzlich ausgefiltert. Die Konzentration von Bakterien, Pollen und Sporen schränkt sich ebenfalls deutlich ein. Unterschiedliche Luftfilter ermöglichen eine Abstimmung der Anlage auf individuelle Anforderungen (zum Beispiel Einsatz spezieller Pollenfilter bei Allergien). Der Markt bietet Anlagen mit Feuchtigkeits- und Schadstoffsensoren, die den hygienisch optimalen Luftwechsel automatisch regeln. Dafür sind Luftwechselraten vorgegeben, die die gesamte Raumluft alle ein bis zwei Stunden einmal komplett austauschen. Ein weiterer Vorteil von Wohnungslüftungssystemen: Anders als bei vielen Klimaanlagen sind Zu- und Abluft vollständig voneinander getrennt. Die Übertragung von unangenehmen Gerüchen auf die Zuluft wird dadurch wirkungsvoll verhindert.
Der Markt bietet je nach Anforderung zentrale und dezentrale Lösungen an. (Quelle: Wolf GmbH)
Immer mit WRG
Der Markt unterscheidet zwischen zentralen und dezentralen Wohnraumlüftungsanlagen. Die meistverkauften Systeme sind dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Sie benötigen kein Luftverteilsystem, sind kostengünstig und eignen sich für eine einfache Wohnungsmodernisierung. Vergangenes Jahr wurden davon 176.500 Geräte verkauft. Vor allem im Neubau oder bei aufwändigen Gebäudesanierungen kommen hingegen zentrale Systeme mit Luftverteilsystem und einer Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Davon wurden 2023 insgesamt 43.500 Geräte abgesetzt. Aber egal ob dezentral oder zentral, an der Wärmerückgewinnung sollte nicht gespart werden. Das verdeutlichen die folgenden Zahlen der Branchenverbände BDH und FGK:
Rund 50 Prozent der Heizenergie wird in modernen Gebäuden für die Wiedererwärmung der Frischluft benötigt. Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung können die Heizkosten deutlich senken.
Bis zu 90 Prozent der Wärme aus der Abluft kann mit Lüftungsanlagen zurückgewonnen werden.
Bis zu 30 Prozent der Heizkosten lassen sich mit Lüftungsanlagen plus Wärmerückgewinnung geräte- und gebäudeabhängig einsparen.
Tatsächlich zeigen Prognosen vorgenannter Organisationen, dass insgesamt bis zu 55,8 Terawattstunden Primärenergie sowie bis zu 11 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr bis 2045 eingespart werden könnten, wenn Wohngebäude (Bestand und Neubau) verstärkt mit Wohnungslüftung und Wärmerückgewinnung ausgestattet werden.
Filterwechsel und Wartung
Der Handwerker muss eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigen, um ein Wohnungslüftungssystem korrekt zu installieren. Eine sorgfältige Planung, fachgerechte Installation und regelmäßige Wartung sind entscheidend, um die Effizienz nebst Langlebigkeit des Systems zu gewährleisten und die Gesundheit und den Komfort der Bewohner zu sichern.
Die hygienisch erforderlichen Luftmengen werden bei der Inbetriebnahme und Einregulierung raumweise eingestellt. Anschließend übergibt der Fachhandwerker dem zukünftigen Anlagenbetreiber die Lüftungsanlage. In diesem Rahmen ist eine Einweisung wichtig, um beispielsweise abzuklären, wie ein notwendiger Filterwechsel erkannt und durchgeführt wird, wie auf Störungsmeldungen zu reagieren ist, oder welche Reinigungsarbeiten der Anlagenbetreiber selbst vornehmen kann und welche nicht.
In der Regel sollten die Gerätefilter einmal pro Jahr ausgetauscht werden. Bei fast allen Lüftungsgeräten wird dies durch eine Filteranzeige angezeigt. Bei fachkundiger Übergabe und Anleitung kann es der Betreiber selbst erledigen. Anschließend obliegt dem Fachhandwerker in einem Turnus von zwei Jahren die fachgerechte Durchführung von Wartungsmaßnahmen. Die Schwerpunkte stellen dabei unter anderem die Inspektion des Luftverteilsystems und des Lüftungsgeräts beziehungsweise der Lüftungsgeräte dar. Alle 10 Jahre ist eine Instandhaltungsmaßnahme mit Überprüfung des Luftleitungssystems zu empfehlen. Diese Überprüfungen und Reinigungsmaßnahmen sollte auf jeden Fall der Lüftungsfachmann durchführen. Zu diesem Zweck schließt der Fachhandwerker am besten einen Wartungsvertrag mit dem Anlagenbetreiber ab. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit WRG allzeit für behagliche Raumluftbedingungen sorgt, effizient arbeitet und das Lebensmittel Luft in Innenräumen sauber bleibt.
Weiteres Wissen:
Studien zum Klimaschutz
Studien im Auftrag Bundesverbandes für Wohnungslüftung e.V. (VfW) aus 2022/2023 belegen das hohe Energieeinsparpotential und den Beitrag zur Wärmewende in Deutschland durch Wohnraumlüftungssysteme, wenn im Neubau und Bestand gleichzeitig mit Wärmerückgewinnung (WRG) gearbeitet wird. Dabei geht es um die Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten, Klimaschutz und Nachhaltigkeit. So sollen laut Klimaschutzgesetz im Gebäudesektor bis 2030 Treibhausgas-Emissionen um 35 Mill. t/a reduziert werden. Gelingt es, nur 10 Prozent des Gebäudebestands mit Wohnraumlüftung plus WRG auszustatten, ist nach der jüngsten VfW Studie eine Minderung des CO2-Ausstosses von fünf Prozent möglich. Dafür müssten bis 2030 jedes Jahr 500.000 Wohnungen mit Lüftung und WRG ausgestattet werden. Tatsächlich lag diese Zahl 2023 bei nur 100.000 Wohnungen – Tendenz fallend. Spannt man den Zeithorizont sogar bis 2045 und nimmt einen 45-prozentigen Ausstattungsgrad des Gebäudebestands, könnten pro Jahr bis zu 42.000 GW Endenergie eingespart, der CO2- Ausstoß jährlich um bis zu 11 Mio. t und Heizkosten zwischen 3,4 und 5,7 Mrd.€ reduziert werden. Notwendig dafür ist laut VfW allerdings die verstärkte Berücksichtigung von KWL mit WRG im aktuellen Gebäudeenergiegesetz GEG. Zweitens die energetische Gleichstellung von Abwärmenutzung durch WRG mit der Nutzung von regenerativer Energie sowie drittens eine attraktivere Förderung.
Das Lüftungskonzept
Ein Lüftungskonzept ist ein systematisches Vorgehen zur Sicherstellung eines ausreichenden Luftaustauschs in Gebäuden. Es wird erstellt, um die Raumluftqualität zu gewährleisten, Feuchtigkeit und Schadstoffe abzuführen und damit Schimmelbildung und gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verhindern. Insbesondere für energieeffiziente und gut gedämmten Gebäude ist ein Lüftungskonzept essenziell, unter bestimmten Bedingungen Pflicht. Dies ergibt sich unter anderem aus folgenden gesetzlichen Vorgaben und technischen Normen:
Gebäudeenergiegesetz (GEG): Das GEG schreibt vor, dass bei Neubauten und umfangreichen Sanierungen der Mindestluftwechsel sichergestellt sein muss.
DIN 1946-6: Diese Norm definiert die Anforderungen an die Lüftung von Wohngebäuden und fordert die Erstellung eines Lüftungskonzepts für Neubauten sowie bei wesentlichen Änderungen an der Gebäudehülle, z.B. dem Austausch von Fenstern oder einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle.
Landesbauordnungen: In einigen Bundesländern sind zusätzliche Regelungen in den jeweiligen Bauordnungen enthalten, die die Notwendigkeit eines Lüftungskonzepts weiter spezifizieren.
Weiteres Links:
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Kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL)
KWL sorgt mit ventilatorgestützten Systemen für einen stetigen Luftaustausch, indem sie frische Luft zuführt, verbrauchte Luft sowie Schadstoffe und Gerüche entfernt und so das Wohlbefinden steigert sowie Feuchteschäden und Schimmel vorbeugt.
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